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Streaming-Kolumne

Und alle so: Hääh? Über deutsche Netflix-Exporthits

Staffellauf #14 von Dobrila  •  04. November 2021

Zweifellos gibt es großartige deutsche Streamingproduktionen. Aber diejenigen, die Netflix als internationale Exportschlager verbucht, sorgen hierzulande häufig für Verwunderung.

Meine Liste diesjähriger Streaming-Highlights ist lang – das im Sommer auf Netflix gestartete deutsche Horror-Action-Drama „Blood Red Sky“ nimmt dort aber definitiv keinen Platz ein. Die Geschichte um eine Flugzeugentführung, in deren Verlauf die von Peri Baumeister gespielte Protagonistin sich als Vampirin mit Mutterinstinkt entpuppt, empfand ich als krude Mischung aus „Train to Busan“, „Snakes on a Plane“ und „Con Air“, die sich anders als die genannten Filme leider auch überaus ernst nahm.

Doch viele Netflix-Abonnent*innen sahen es anders, und dies vor allem außerhalb Deutschlands: In den ersten 28 Tagen hatten ca. 50 Millionen Haushalte „Blood Red Sky“ gesehen und in 57 Ländern belegte der Schocker bald den ersten Platz, darunter in den USA, Brasilien, Saudi-Arabien und Indonesien. Hierzulande schaffte es der Film nicht über den zweiten Platz hinaus und die Kritiken fielen bestenfalls mau aus.

 

Zwischen Scham und Inakzeptanz, oder: „Wetten, dass…?“ und die „Scorpions“

Bei Exporthits wie „Blood Red Sky“ stellt sich schnell die Frage, ob das hiesige Publikum und die Kritiker*innen zu streng über deutsche Produktionen urteilen. Und ja, ein ausgeprägter, international vielleicht nicht nachvollziehbarer Hang zur Selbstkritik in diesem Kontext lässt sich durchaus feststellen: Überzeugt der Plot eines deutschen Streamingfilms oder einer -serie nicht, werden schnell Parallelen zu biederer Tatort-Dramaturgie gezogen (dessen bekenne ich mich übrigens selbst schuldig).

Und während der „Tatort“ vielen oftmals für die Sonntagabend-Unterhaltung reichen mag, scheint man von den Produktionen eines Streamingdienstes grundsätzlich mehr zu erwarten, zumal hochkarätige US-amerikanische Netflix-Serien wie „House of Cards“ die Sehgewohnheiten nachhaltig geprägt haben.

Schlechte Ausstattung, Inszenierungsschwächen und hölzernes Spiel in deutschen, international verfügbaren Streamingserien lösen zudem häufig beschämte Blicke zu Boden aus, wie sie viele von TV-Momenten kennen, in denen Thomas Gottschalk auf seiner „Wetten, dass…?“-Couch ungelenk mit US-Stars parlierte – unvergessen, als er zur breit lächelnden Cate Blanchett sagte: „Du hast einen Mund, da geht locker ein Tennisball rein.“

Erregt eine deutsche Streamingproduktion dann wider Erwarten international positive Aufmerksamkeit, stellt sich als deutsche Reaktion häufig das ein, was ich in Anlehnung an die Hannoveraner Hard-Rock-Band (von der man hierzulande wohl höchstens zwei Hits kennt, aber die in den USA von Musikern wie Billy Corgan und Bands wie „System of a Down“ verehrt wird) als „Scorpions“-Effekt bezeichnen würde: Ungläubigkeit, dann milde Akzeptanz, schließlich aber der Verweis auf Produktionen, die doch viel mehr die internationale Publikumsliebe verdient hätten.

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Nachsichtige und geschärfte Blicke

Rückblickend auf das Netflix-Jahr 2020 könnte man dementsprechend ratlos sein, dass nicht etwa Maria Schraders Emmy-prämierte Buchadaption „Unorthodox“ sondern ausgerechnet die vom deutschen Publikum als recht platt empfundene Historien-Saga „Barbaren“ über die Varusschlacht damals zur beliebtesten internationalen Serie in den USA avancierte.

Man könnte vermuten, dass „Blood Red Sky“ und „Barbaren“ letzten Endes international vor allem wegen einer populären Kombination aus Bewährtem und Neuartigem triumphieren: Während Regisseur Peter Thorwarth mit „Blood Red Sky“ den Twist eines beliebten Mythos (Vampire im Flugzeug) wagte, bearbeiteten Showrunner Jan Martin Scharf und Arne Nolting in recht herkömmlicher Manier mit „Barbaren“ einen historischen Stoff, der zuvor nur selten und noch dazu kaum breitenwirksam verfilmt worden war. Während dies hierzulande dennoch nicht reicht, um über inszenatorische Schwächen hinwegzuschauen, scheint man damit anderswo weniger Probleme zu haben, sofern die Idee frisch wirkt.

Und dann gibt es noch Fälle, in denen der Blick von außen geschärfter ist für Besonderheiten, die aus dem Inland nicht wirklich wahrgenommen werden: So wurde die Mystery-Serie „Dark“ zwar auch hier positiv rezipiert, doch 90 Prozent der Zuschauer*innen stammen Netflix zufolge aus dem Ausland, vornehmlich den USA.

Dort sah man „Dark“ als deutsches Pendant zu „Stranger Things“, für dessen vergleichsweise ausgeprägte (und mich persönliche anödende) Düsternis es dort eine naheliegende Erklärung gab: German Angst! Dass solch stereotype Zuschreibungen die internationale TV-Rezeption mitprägen, sollten sich alle Zuschauer*innen vor Augen halten, wann immer sie eine Serie aus dem Ausland für ihr besonderes, nationales Flair schätzen – oder wenn sie diesen Samstag die Rückkehr von „Wetten, dass…?“ erwartet.

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